Fast jede Erbengemeinschaft hat ihren Querschläger!

Im Report Nr. 1/2020 zeigte ich auf, wie Sie Ihren letzten Willen verfassen und wo Sie ihn deponieren müssen, damit er dereinst auch umgesetzt werden kann. Im Report Nr. 3/2020, den Sie nun vor sich haben, zeige ich auf, wie Sie durch lebzeitige oder letztwillige Verfügungen vermeiden können, dass dereinst über die Teilung Ihres Nachlasses gestritten wird und wie Sie erreichen können, dass Ihr Nachlass auch tatsächlich wie von Ihnen angeordnet geteilt wird.

Erbengemeinschaften sind für Streit besonders anfällig, denn beim Erben geht es meistens um viel Geld und häufig stehen sich in Erbengemeinschaften Verwandte gegenüber, die nun bei der Teilung des Nachlasses die letzte Möglichkeit sehen, für Gerechtigkeit zu sorgen - den anderen Familienmitgliedern zu zeigen, dass man eben doch immer schon Recht hatte. Und dann gibt es bei den meisten Erben auch noch die lieben Angeheirateten, welche auch noch Öl ins Feuer giessen. Und das Fatale bei Erbengemeinschaften ist, dass von Gesetztes wegen alle ihre Mitglieder gemeinsam und einstimmig handeln müssen (es gilt also nicht das sonst weit verbreitete Mehrheitsprinzip); ein einziger Erbe – und wenn diesem auch nur 1% des Nachlasses oder noch weniger zusteht – kann also Handlungen der Erbengemeinschaft während Jahren und Jahrzehnten blockieren; jedem einzelnen Mitglied einer Erbengemeinschaft steht ein Vetorecht zu. Dies ist so, weil es sich bei einer Erbengemeinschaft um eine sogenannte Zwangsgemeinschaft handelt, die mit dem Tod des Erblassers entsteht und erst mit der Erbteilung endet. Das Einstimmigkeitsprinzip führt dazu, dass Erbengemeinschaften sehr schwerfällig sind und nicht selten gar faktisch handlungsunfähig werden. Das Einstimmigkeitsprinzip gilt für Verfügungs- aber auch schon für einfache Verwaltungshandlungen.

Nachfolgend zeige ich in einem ersten Teil, wie Sie als künftiger Erblasser mit lebzeitigen Massnahmen sicherstellen können, dass Ihr Wille auch tatsächlich umgesetzt wird und wie Sie eine Blockade und einen jahrelangen Streit unter Ihren Erben vermeiden können. In einem zweiten Teil lege ich dann dar, welche Möglichkeiten Erben – die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind - haben, aus einer solchen Blockade herauszukommen.

1. Massnahmen des Erblassers, um Streit unter den Erben zu vermeiden und sicherzustellen, dass der letzte Wille auch umgesetzt wird

Die soeben beschriebenen Probleme kann der Erblasser verhindern, wenn er zu Lebzeiten entweder seinen Nachlass von vornherein so „aufbereitet“, dass dessen Teilung zu keinerlei Streitereien führen kann oder aber dadurch, dass der Erblasser zu Lebzeiten in einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) klare Anordnungen zur Erbteilung macht (sogenannte Teilungsvorschriften erlässt) und einen Willensvollstrecker ernennt. So kann es beispielsweise empfehlenswert sein, ein Unternehmen bereits zu Lebzeiten an seine Erben zu übertragen; wer nicht ganz so weit gehen möchte, kann zu Lebzeiten zumindest geeignete Nachkommen als Verwaltungsräte ernennen. In AusFelix Müller Dr. iur, Rechtsanwalt eport 3 nahmesituationen kann es gar angezeigt sein, ein Unternehmen in eine Unternehmensstiftung einzubringen. Ein Streit über die Zuteilung von Nachlassaktiven unter den Erben kann aber auch dadurch vermieden werden, dass in der letztwilligen Verfügung festgehalten wird, wer was erbt (Teilungsvorschriften) und festgelegt wird, zu welchem Wert sich ein Erbe den zugewiesenen Nachlassgegenstand anrechnen lassen muss.

Ist dem Erblasser bekannt, welcher seiner Erben dereinst bei der Erbteilung Probleme bereiten könnte, hat der Erblasser auch die Möglichkeit, diesen Erben mit dem Instrument eines Erbverzichtsvertrages gänzlich von der Erbenstellung auszuschliessen: Der künftige Erbe erhält vom künftigen Erblasser beispielsweise eine Geldzahlung und verzichtet im Gegenzug auf seine künftige Erbenstellung und seinen Pflichtteil. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Erbauskauf.

Häufig werde ich gefragt, ob ein Erblasser einen künftigen Erben, mit dem er im Streit liegt oder bei dem er davon überzeugt ist, dass dieser sich dereinst gegen die Erbteilung sperrt, nicht enterben könne. Dies ist meist unzulässig, denn die Voraussetzungen für eine gültige Enterbung sind extrem hoch. Meistens legt der Enterbte Herabsetzungsklage ein. Obsiegt der ausgeschlossene Erbe, so erlangt er automatisch wieder Erbenstellung und wird damit wieder Teil der Erbengemeinschaft. Daher ist die Enterbung nur in Ausnahmefällen ein probates Mittel, um eine strittige Erbteilung zu vermeiden. Erfolgsversprechender als eine Enterbung wäre das sogenannte „Pflichtteilsvermächtnis“: Beim Pflichtteilsvermächt-nis lässt man dem fraglichen Erben betragsmässig den Pflichtteil zukommen; dadurch, dass man diesem Erben nur ein Vermächtnis zuteilt, verhindert man, dass er Erbenstellung erhält. Der Querschläger wird damit nicht Teil der Erbengemeinschaft, sondern hat nur Anspruch darauf, dass ihm die Erbengemeinschaft seinen Anteil auszahlt.

Ein altbewährtes Mittel, um sicherzustellen, dass eine Erbengemeinschaft trotz eines Querschlägers funktioniert, ist wie bereits erwähnt die Einsetzung eines Willensvollstreckers: Ernennt der Erblasser einen Willensvollstrecker, so verwaltet dieser anstelle der Erben gemäss Anweisungen des Erblassers den Nachlass; der Willensvollstrecker ist insbesondere auch gehalten, die Erbteilung vorzubereiten. Mit der Einsetzung eines Willensvollstreckers kann also der Querschläger zumindest teilweise entmachtet werden.

Verheiratete Erblasser, welche nur gemeinsame Nachkommen haben, können auch über einen Ehe- und Erbvertrag erreichen, dass eine strittige Auseinandersetzung unter den Erben zumindest bis zum Ableben des zweiten Ehepartners aufgeschoben wird, sei dies durch eine sogenannte Meistbegünstigung des überlebenden Ehepartners, sei dies aber auch durch die Wahl des Güterstandes der Gütergemeinschaft.

Unter Umständen hilft auch eine in der letztwilligen Verfügung enthaltene Mediationsoder CLP-Klausel, einen Streit zu vermeiden: Mit einer solchen Anordnung werden die Erben angehalten, bevor sie vor Gericht prozessieren, eine Mediation oder ein CLP-Verfahren (www.clp.ch) durchzuführen.

2. Was geschieht, wenn der Erblasser es unterlässt, vorausschauend seinen Nachlass zu regeln, welche Möglichkeiten haben die Erben?

Jede Blockade einer Erbengemeinschaft wird durch die Erbteilung beendet: Mit der Erbteilung werden die Nachlassgegenstände von der Erbengemeinschaft in das Alleineigentum eines Erben überführt. Gegen den Willen der Miterben kann man die Erbteilung durch die Teilungsklage in die Wege leiten. Eine strittige Erbteilung dauert jedoch nicht selten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte! Es empfiehlt sich daher tunlichst, alles daran zu setzen, dass der Nachlass einvernehmlich geteilt werden kann.

Unter Umständen kann mit einer sogenannten subjektiv-partiellen Erbteilung ein Erbteilungsprozess vermieden werden: Bei der subjektiv-partiellen Erbteilung wird ein Mitglied – häufig der besagte Querschläger – von den übrigen Erben abgefunden; die Abfindung des renitenten Erben hat dessen Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft zur Folge. Die subjektiv-partielle Erbteilung ist jedoch nicht nur ein probates Mittel, um einen renitenten Erben aus der Erbengemeinschaft auszuschliessen; vielmehr kann mit Hilfe einer subjektiv-partiellen Erbteilung auch ein Erbe, der kein Interesse mehr hat, Mitglied der Erbengemeinschaft zu sein, aus der Erbengemeinschaft „aussteigen“. Bedingung einer subjektiv-partiellen Erbteilung ist jedoch immer ein Konsens unter den Erben über die Höhe des Betrages, der dem ausscheidenden Erben zusteht.

Das Problem, dass Erbengemeinschaften grundsätzlich nur bei Einstimmigkeit handlungsfähig sind, kann unter anderem dadurch beseitigt werden, dass alle Erben gemeinsam vertraglich einen Vertreter bestimmen. Ist die Situation bei einer Erbengemeinschaft noch nicht völlig verfahren, kann die Ernennung eines Erbenvertreters sicherstellen, dass die Erbengemeinschaft auch bei Unstimmigkeiten handlungsfähig bleibt.

Das Gesetz sieht auch vor, dass Erbschaftsverwalter ernannt werden können. Diese können auch gegen den Willen einzelner Erben die Erbteilung im Sinne des Erblassers vorantreiben. Die Erbschaftsverwaltung wird vom zuständigen Gericht angeordnet.

Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass ein Querschläger das friedliche Zusammenwirken von Erben und die sinnvolle und zeitnahe Erbteilung ganz massiv erschweren kann. Sie haben jedoch verschiedenste Möglichkeiten, durch lebzeitige, aber auch durch letztwillige Verfügungen dem Querschläger die „Flügel zu stutzen“. Wichtig ist nur, dass Sie sich rechtzeitig mit diesen Fragen auseinandersetzen, denn wie wir alle wissen, stirbt man häufig früher als man sich das gewünscht hat. Aber auch als Mitglied einer Erbengemeinschaft sind Sie einem Querschläger nicht machtlos ausgeliefert.

Felix Müller

Felix Müller

Dr. iur., Rechtsanwalt, Mediator SAV, Collaborative Lawyer SVCL
Teamleiter