Publikation vom April 2015
Teilrevision des Verwaltungsverfahrens
Einleitung
Staatliches Handeln bedarf Regeln. In diesem Sinne schreibt das im Jahre 1981 erlassene Verwaltungsrechtpflegegesetz (VRG) das Verfahren fest, in dessen Rahmen die Thurgauer Verwaltungsbehörden tätig werden dürfen und müssen. Dies betrifft die Gemeindebehörden ebenso wie die kantonalen Ämter, Departemente und Rekurskommissionen sowie das Verwaltungsgericht.
Änderung seit 1. Oktober 2014 in Kraft
Am 1. Oktober 2014 ist eine Teilrevision des VRG in Kraft getreten. Auslöser dieser Revision war ein Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahre 2012, welcher feststellte, dass der bisher vorgesehene Rechtsmittelweg gegen Vollstreckungsentscheide (vom Regierungsrat direkt an das Bundesgericht) dem Bundesrecht widerspreche. Das revidierte VRG sieht nun anstelle des Regierungsrats bundesrechtskonform das Verwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz und somit als Vorinstanz des Bundesgerichts vor. Diese unumgängliche Änderung wurde zum Anlass genommen, weitere Revisionsanliegen aus der Praxis aufzugreifen und umzusetzen. Eine Auswahl dieser Neuerungen sei im Folgenden dargestellt.
Amtssprache (§ 10a VRG)
Im Kanton Thurgau war Deutsch zwar seit jeher als Amtssprache anerkannt, jedoch bis 2011 nirgends gesetzlich verankert. Im Rahmen der damaligen Justizreform wurde Deutsch als Amtssprache für das Zivil- und Strafverfahren festgelegt, nicht jedoch für das Verwaltungsverfahren. Die ausdrückliche Regelung der deutschen Amtssprache entspricht jedoch auch im Verwaltungsverfahren einem praktischen Bedürfnis: Es konnte in jüngerer Zeit beobachtet werden, dass zunehmend fremdsprachige Eingaben an die Behörden gerichtet wurden. Deren Übersetzung würde einen beträchtlichen personellen und finanziellen Aufwand erfordern und die Verfahren verlängern. Nach neu geltendem Recht hat die Behörde im Falle anderssprachiger Eingaben eine kurze Nachfrist zur Übersetzung anzusetzen; bei unbenütztem Ablauf der Frist wird auf die Eingabe nicht eingetreten.
Pflicht zur Amtshilfe (§ 12a VRG)
Die unterschiedlichen Verwaltungsbehörden sind sich gegenseitig zur Amtshilfe verpflichtet. Dies bedeutet insbesondere, dass die Behörden jene Informationen austauschen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Das Amtsgeheimnis wird durch diesen Austausch nicht verletzt. Private trifft demgegenüber keine Pflicht zur Amtshilfe.
Elektronische Eröffnung und Zustellung (§ 20b VRG)
Mit dieser Bestimmung wurde die gesetzliche Grundlage für die Einführung des elektronischen Behördenverkehrs geschaffen. Allerdings wird mit dem Erlass der erforderlichen Ausführungsbestimmungen zugewartet, bis diesbezügliche Erfahrungen aus der Zivil- und Strafrechtspflege vorliegen. Bis dahin bleibt (vorerst) die elektronische Eröffnung von Verwaltungsentscheiden ebenso unzulässig wie elektronische Eingaben an die Behörden.
Formvorschriften für Rekurse (§§ 45 und 46 VRG)
Grundsätzlich muss eine Rechtsschrift einen Antrag und eine Begründung enthalten. Neu hält das Gesetz fest, dass Rechtsschriften zudem nicht unleserlich, ungebührlich, unverständlich, übermässig weitschweifig oder in einer anderen Sprache als der Amtssprache verfasst sein dürfen. Wird eine ungenügende Rechtsschrift nicht innert kurzer Frist nachgebessert, entscheidet die Behörde aufgrund der Akten oder tritt auf die Eingabe nicht ein. Im Falle von querulatorischen oder rechtsmissbräuchlichen Eingaben erfolgt gar ein Nichteintreten ohne Ansetzen einer Nachfrist.
Unentgeltlicher Rechtsbeistand (§ 81 Abs. 2 VRG)
Gemäss § 81 Abs. 2 VRG kann einem Beteiligten, sofern es die Umstände erfordern, ein unentgeltlicher Anwalt „auf Staatskosten“ bewilligt werden. Neu präzisiert der Gesetzestext, dass nur innerkantonale, d.h. im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragene Anwälte zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt werden können. Dies entspricht langjähriger Praxis des Verwaltungsgerichts und wurde vom Bundesgericht mehrfach als rechtmässig bestätigt. Ein ausserkantonaler Anwalt kommt nur ausnahmsweise zum Zug, nämlich wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten besteht oder er sich bereits früher mit der Sache befasst hat.
Verjährung (§ 85 Abs. 2 VRG)
Öffentlich-rechtliche Forderungen verjähren innerhalb von 10 Jahren. Dieser bisher ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsatz ist nun ausdrücklich im Gesetz verankert.
Fazit
Bis auf die eingangs erwähnte Anpassung des Rechtsmittelwegs für Vollstreckungsentscheide beinhaltete die VRG-Revision keine bahnbrechenden Neuerungen. Einige in der Praxis bekannten Probleme konnten durch relativ geringfügige Änderungen gelöst werden. Entsprechend ging die Inkraftsetzung der Revision am 1. Oktober 2014 ohne Schwierigkeiten, ja fast unbemerkt über die Bühne. Darin zeigt sich, dass das thurgauische VRG eine solide Rechtsgrundlage für das Verwaltungshandeln im Kanton darstellt.