Publikation vom Juni 2014
Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen (mit Wohnsitz in der Schweiz) auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer
Die Verrechnungssteuer ist am 1.1.1944 eingeführt worden. Zuerst waren es 15% und nun 35%, die auf den Erträgen des beweglichen Vermögens erhoben und beim Schuldner der steuerbaren Leistung in Abzug gebracht werden. Die Verrechnungssteuer war und ist grundsätzlich heute noch eine Defraudantensteuer, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Der ehrliche Steuerzahler soll nicht belastet werden. Durch strenge Auslegung – insbesondere der Rückerstattungsberechtigung - wird die Verrechnungssteuer aber je länger je mehr eine ergiebige Finanzquelle des Bundes.
Die Verrechnungssteuer (VSt) ist in der Konzeption eine an der Quelle erhobene Steuer auf dem Ertrag des beweglichen Kapitalvermögens (insbesondere Zinsen und Dividenden, aber auch „geldwerte Leistungen“). Die VSt ist eine Objektsteuer und wird beim inländischen Schuldner (idR AG, GmbH) der steuerbaren Leistung erhoben.
Der inländische Steuerpflichtige, der die Steuererklärung korrekt und rechtzeitig ausfüllt, hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Rückerstattung der VSt. In concreto ist das Wertschriften- und Guthabenverzeichnis, Spalte A „Werte mit VSt-Abzug“ gemeint.
Anspruch auf Rückerstattung hat eine natürliche Person dann, wenn sie bei Fälligkeit des steuerbaren Ertrages auf dem den Ertrag abwerfenden Vermögenswert:
- das Recht zur Nutzung besass und
- den Wohnsitz oder den Aufenthalt in der Schweiz hat oder bei der Fälligkeit hatte und
- kein Verwirkungsgrund (Art. 23 VStG) vorliegt.
Wer keinen VSt-Rückerstattungsanspruch erhebt oder ihn wegen Pflichtverletzungen nicht geltend macht, ist nicht von der Pflicht enthoben, die steuerbaren Einkünfte und das steuerbare Vermögen zu deklarieren. Die VSt ersetzt die ordnungsgemässe Deklaration nicht.
Die Rückerstattung der VSt ist in allen Fällen unzulässig, sofern sie zu einer Steuerumgehung führen könnte oder ein Verwirkungsgrund vorhanden ist.
Die Steuerbehörden sind immer mehr darauf aus, das Verrechnungssteuer-Gesetz (VStG) eng auszulegen und Verwirkungsgründe zu finden. Die Anforderungen an eine ordnungsgemässe Deklaration - die eine Rückerstattung erlauben - sind deshalb (auf der Basis von zwei Bundesgerichtsureilen) im Kreisschreiben Nr. 40 vom 11. März 2014 näher umschrieben worden. Zusammengefasst vermittelt das KS folgende Botschaft:
- Eine ordnungsgemässe Deklaration (Art. 124 f DBG, Art. 42 StHG) ist dann gegeben, wenn die steuerpflichtige Person die mit der VSt belasteten Einkünfte sowie das Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, in der ersten Steuererklärung, welche nach der Fälligkeit der steuerbaren Leistung einzureichen ist, deklariert.
- Ausserdem gelten die mit der VSt belasteten Einkünfte, welche spontan von der steuerpflichtigen Person nach Einreichung der Steuererklärung, aber spätestens bis zum Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung deklariert werden, als ordnungsgemäss deklariert.
- Aber keine Anwendung findet diese „Nachdeklarations-Regelung“, wenn die steuerpflichtige Person Einkommens- oder Vermögensbestandteile vorsätzlich oder in Hinterziehungsabsicht nicht deklariert hat und dieser Umstand durch die Steuerbehörden entdeckt worden ist.
Das heisst mit anderen Worten, dass Einkünfte des Jahres 2013 mit der Steuererklärung 2013, d.h. im Jahre 2014, zu deklarieren sind. Dies kann z.B. dann problematisch werden, wenn bei einer Steuerprüfung einer jur. Person im Jahre 2015 festgestellt wird, dass im Geschäftsjahr 2013 geldwerte Leistungen an Beteiligte oder nahestehende Personen erfolgt sind. Wenn der Empfänger dieser geldwerten Leistung bereits rechtskräftig eingeschätzt wurde, kann er dies in der ordentlichen Steuererklärung 2013 nicht mehr korrigieren.
- Als nicht ordnungsgemässe Deklaration im Sinne der VSt gilt demnach eine falsche, vergessene oder verspätete Deklaration von VSt-belasteten Einkünften. Als Folge davon ist die Rückerstattung der VSt zu verweigern.
- Erfolgt also eine Deklaration VSt-belasteter Einkünfte nach Eintritt der Rechtskraft oder aufgrund einer Anfrage, Anordnung oder Intervention der Steuerbehörden im Zusammenhang mit solchen Einkünften, verliert der Steuerpflichtige das Recht auf Rückerstattung.
- Blosse rechnerische Korrekturen von bereits deklarierten Erträgen, Deklaration von Nettoerträgen, Anpassung geldwerter Leistungen und Privatanteil (also deklariert, später erhöht), Bewertungsdifferenzen, etc., führt nicht zur Verwirkung des Rückerstattungsanspruches, auch nicht auf dem aufgerechneten Teilbetrag.
- Wenn aber gar nichts deklariert wurde, obwohl man es hätte „wissen“ müssen, wird wohl in letzter Konsequenz die VSt eingezogen (beim Schuldner der Leistung, sprich Firma, mit Überwälzungspflicht). Zudem geht der Rückerstattungsanspruch beim Empfänger verloren.
- Erfolgt die Deklaration im Sinne einer spontanen Selbstanzeige durch die steuerpflichtige Person oder deren Erben (kleine Amnestie), ist - auch bei Verzicht auf ein Strafverfahren - der Anspruch auf Rückerstattung der VSt trotzdem verloren. Die Straffreiheit bezieht sich nur auf die direkten Steuern von Bund und Kanton, nicht aber auf die VSt.
- Schreitet die Steuerbehörde zu einer Ermessenstaxation, so muss allerspätestens im Einspracheverfahren eine vollständige Steuererklärung mit ordnungsgemässer Deklaration aller Einkünfte, insbesondere den Einkünften aus beweglichem Vermögen und aller damit zusammenhängenden Vermögensteile erfolgen, um allenfalls wieder in den Genuss der VSt-Rückerstattung zu gelangen.
- Wendet eine VSt-pflichtige Gesellschaft das Meldeverfahren an, muss der Empfänger einer solchen Leistung persönlich seiner ordnungsgemässen Deklarationspflicht nachkommen. Widrigenfalls dürfte wohl die VSt beim Schuldner - mit Überwälzungspflicht - eingefordert werden. Unterbleibt die Überwälzung, erhöht sich die abzuliefernde VSt von 35% auf 53.85% und das Recht auf Rückerstattung bleibt verwehrt. Dazu kommt noch die Verzugszinsthematik, die derzeit viel zu reden gibt.
Auch wenn die Verrechnungssteuer nicht zurückerstattet wird, sind die ordentlichen Einkommens und Vermögenssteuern (Bund und Kanton) zu bezahlen, allenfalls mit Bussen, Nach- und Strafsteuern.
Fazit
Die mit VSt belasteten Einkünfte und das Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, sind in jeder Steuererklärung zu deklarieren (Wertschriften- und Guthabenverzeichnis).
Werden solche Einkünfte/Vermögen aus irgendeinem Grunde im Wertschriftenverzeichnis nicht deklariert, so muss die Nachdeklaration spontan, d.h. ohne vorherige Rückfrage usw. durch die Steuerbehörden und vor dem Eintritt der Rechtskraft, allenfalls in einem Einspracheverfahren - quasi gegen sich selbst - deklariert werden. Der Einschätzungsentscheid darf also nicht ohne kritische Kontrolle, auch gegen sich selbst, entgegen genommen werden.
Ein Beteiligter oder Nahestehender einer juristischen Person muss im Zweifelsfalle dafür sorgen, dass er nicht vor der juristischen Person definitiv eingeschätzt wird, denn es könnte sein, dass ihm geldwerte Leistungen oder Privatanteile angerechnet werden. Zudem hat er dafür zu sorgen, dass der Abschluss der juristischen Person nach allen Regeln der Kunst (Handels- und Steuerecht) vorgenommen wird und somit Aufrechnungen auf der Seite der juristischen Person nicht vorkommen sollten. Gegen ungerechtfertigte Aufrechnungen muss sich schon die juristische Person wehren, nicht erst der Empfänger der geldwerten Leistung.
Ein Beteiligter oder Nahestehender einer juristischen Person soll auch dafür besorgt sein, dass er von der Firma die nötigen Informationen (Lohnausweis, Bescheinigung , erfolgte Aufrechnungen) zeitverzugslos erhält und informiert wird, damit auch er sich zur Wehr setzen kann.