Störende Immissionen bei rechtskonformer Bautätigkeit

Ganz im Sinne des Prinzips der inneren Verdichtung liegen die meisten Baustellen in dicht besiedeltem Gebiet. Zwangsläufige Folge hiervon ist, dass mit der Bautätigkeit regelmässig spürbare Auswirkungen (Lärmimmissionen etc.) auf die Nachbargrundstücke einhergehen. Der Bauherr ist verpflichtet, die zumutbaren Massnahmen zum Schutz der Nachbarn vor solchen störenden Einwirkungen zu treffen. Soweit die Immissionen aber unvermeidbar mit der Bautätigkeit verbunden sind, müssen sie von den Nachbarn grundsätzlich hingenommen werden.

Anders verhält es sich, wenn die Immissionen übermässig sind, d.h. wenn die Störung das übliche Mass deutlich überschreitet. Für diesen Fall sieht das ZGB in Art. 679a eine verschuldensunabhängige Haftung des Bauherrn vor: Führt demnach die rechtskonforme Bautätigkeit vorübergehend zu unvermeidlichen und übermässigen Immissionen und entsteht dem Nachbar dadurch ein Schaden, so hat der bauende Grundeigentümer dafür Ersatz zu leisten. Was bedeutet diese Regelung für die Beteiligten?

Nachbar: Nach dem Gesagten zieht nicht automatisch jede störende Bautätigkeit einen Anspruch des betroffenen Nachbarn nach sich. Im Gegenteil sind die Hürden für Ersatzforderungen gestützt auf Art. 679a ZGB relativ hoch.

Einerseits muss der Nachbar beweisen können, dass die Störung erheblich über das Übliche hinausgeht. Selbst wenn die entsprechenden Beweismittel (Ton- und Bildaufnahmen etc.) vorgelegt werden können, stellt sich noch die Frage, ob das Gericht die Einwirkung ebenfalls als übermässig wahrnimmt. Bei dieser Beurteilung verfügt der Richter über einen grossen Ermessensspielraum.

Andererseits ist vorausgesetzt, dass der Nachbar einen nachweisbaren wirtschaftlichen Schaden (Vermögenseinbusse) erlitten hat. Ein Verlust etwa an Lebensqualität infolge monatelangen Baulärms ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Kaum problematisch ist die Bezifferung des Schadens, wenn ein Mietobjekt betroffen ist und die Mieter gegenüber dem Ver-mieter aufgrund der Bauimmissionen eine Mietzinsherabsetzung erwirkt haben. Zu beachten ist aber, dass im Mietrecht andere Massstäbe gelten. Muss demnach eine Mietzinssenkung gewährt werden, folgt daraus nicht zwingend ein entsprechender Ersatzanspruch des Vermieters gegenüber dem bauenden Nachbarn.

Bauherr: Für den Bauenden bedeutet Art. 679a ZGB im Prinzip, dass er alles richtig machen kann und unter Umständen trotzdem schadenersatzpflichtig wird. Durch geeignete Vorkehren vor Baubeginn kann dieses Risiko aber immerhin minimiert werden. Beispielhaft sind etwa folgende Massnahmen zu empfehlen: Wahl von immissionsarmen Ausführungsarten; frühzeitige Information der Nachbarn; Berücksichtigung der Immissionsproblematik bei der Vertragsgestaltung (Unternehmerverträge, GU-Vertrag etc.); Bildung einer finanziellen Reserve für allfällige Schadenersatzansprüche.

Beda Stähelin

Beda Stähelin

Dr. iur., Rechtsanwalt