Publikation vom Juni 2007
Abgrenzung unmittelbarer und mittelbarer Schaden nach Art. 208 Abs. 2 und 3 OR
Mit Bemerkungen von Dr. Roland Keller, Rechtsanwalt, Kreuzlingen Der Verfasser hat im hier besprochenen Prozess den Verkäufer anwaltlich vertreten. Bundesgericht, I. Zivilabteilung, 28. November 2006, Konkursmasse C. S. c. H. Z., 4C. 80/2005, Berufung
Mit Bemerkungen von Dr. Roland Keller, Rechtsanwalt, Kreuzlingen
Der Verfasser hat im hier besprochenen Prozess den Verkäufer anwaltlich vertreten.
Zusammenfassung des Sachverhalts:
H. Z. mit Wohnsitz in A. züchtet gewerbsmässig Papageien. Mit Vertrag vom 30. Juni 2000 kaufte er von C.S. mit Wohnsitz in S. sechs Müller Amazonen-Papageien zum Preis von CHF 4‘800.00. Diese Papageien waren beim Verkäufer während 9 Monaten in Quarantäne. Nach ihrer Einstellung beim Käufer erkrankten und verstarben die sechs Papageien und in der Folge beinahe der gesamte weitere Zuchtbestand des Käufers. Mit Schreiben vom 2. August 2000 erklärte der Käufer die Wandelung des Kaufvertrages. Bezüglich der Erkrankung der Papageien wurden in der Folge mehrere Gutachten erstellt. Als wahrscheinliches Szenario ergab sich aus den Gutachten, dass einer der erworbenen Papageien mit dem Pacheco-Virus infiziert gewesen war und die Krankheit durch den Stress der Neueinstallung ausbrach, worauf das Virus auf den ganzen Vogelbestand des Käufers übergriff. In der Folge verlangte der Käufer vom Verkäufer die Rückerstattung des Kaufpreises und den Ersatz des durch die Krankheit der gekauften Papageien verursachten Schadens. Der Verkäufer verweigerte die Zahlung, woraufhin der Käufer ihn über CHF 2‘000‘000 nebst 5% Zins seit 2. August 2000 betreiben liess. Der Verkäufer unterliess es, gegen die Betreibung rechtzeitig Rechtsvorschlag zu erheben.
Am 5. November 2003 klagte der Verkäufer (nachstehend "Kläger") beim Bezirksgericht Arbon nach Art. 85a SchKG auf Feststellung, dass die vom Käufer (nachstehend "Beklagter") in Betreibung gesetzte Forderung von CHF 2‘000‘000 nicht bestehe und verlangte die Einstellung der Betreibung.
Das Bezirksgericht Arbon ging davon aus, dass der Kläger den Beklagten aufgrund der Wandelung des Kaufvertrages den Kaufpreis von CHF 4‘800.00 zurück zu erstatten und gemäss Art. 208 Abs. 2 OR die unmittelbar mit der Vertragsrückabwicklung und der Feststellung der Schadenursache angefallenen Kosten von insgesamt CHF 2‘175.10 zu ersetzen habe. Mangels eines Verschuldens habe der Kläger jedoch nicht für den Mangelfolgeschaden in der Form des Verlustes des restlichen Vogelbestandes aufzukommen. Das Bezirksgericht Arbon stellte mit Urteil vom 4. März 2004 fest, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nur im Betrag von CHF 6975.10 nebst 5% Zins seit 2. August 2000 bestehe.
Auf Berufung des Beklagten hin hob das Obergericht des Kantons Thurgau das Urteil des Bezirksgerichts Arbon auf und wies die Klage im Wesentlichen ab, indem es feststellte, dass die in Betreibung gesetzte Forderung von CHF 2‘000‘000 im CHF 1‘990‘925.10 übersteigenden Betrag nicht bestehe. Die Betreibung im CHF 1‘990‘925.10 übersteigenden Betrag wurde eingestellt.
Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau erhob der Kläger am 13. Mai 2005 Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts vom 10. Februar 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung von CHF 2‘000‘000 nebst 5% Zins seit 2. August 2000 im CHF 6975.10 nebst 5% Zins seit 2. August 2000 übersteigenden Betrag nicht bestehe. Überdies sei die Betreibung in diesem Umfang einzustellen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Berufung.
Zusammenfassung der Erwägungen:
Zu entscheiden war im Wesentlichen, ob der Mangelfolgeschaden, welcher durch die mit Pacheco-Viren infizierten Vögel in der Zucht des Beklagten entstand, als unmittelbarer Schaden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR oder als mittelbarer Schaden im Sinne von Art. 208 Abs. 3 OR zu qualifizieren ist. Das Bundesgericht folgte der in Lehre mehrheitlich vertretenen Meinung, wonach bezüglich der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden auf die Länge der Kausalkette zwischen der Lieferung mangelhafter Ware und dem eingetretenen Schaden abzustellen ist. Die Haftung des Verkäufers für die dem Käufer durch die Lieferung mangelhafter Ware unmittelbar verursachten Schäden erfasse auch durch Mängel der Ware hervorgerufene Schäden, soweit sie innerhalb der Kausalkette als direkte Folge des Mangels erscheinen und nicht erst durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen verursacht wurden. Wo im Einzelfall die Abgrenzung vorzunehmen sei, beurteilte sich nach richterlichem Ermessen. Im vorliegenden Fall habe sich die Krankheit der gekauften Papageien direkt auf den Vogelbestand des Käufers übertragen, weshalb insoweit ein unmittelbarer Kausalzusammenhang vorliege. Daran vermöge die Tatsache, dass die Übertragung erst durch die Einstallung und den damit verbundenen Stress möglich wurde, nichts zu ändern, zumal die neue Einstallung zwingend mit dem Verkauf verbunden war und damit zur üblichen Verwendung gehörte, welche nicht als selbständige hinzutretende Schadensursache zu betrachten sei.
Das Bundesgericht begründete seine Auffassung wie folgt: Im Sinne einer grammatikalischen Auslegung untersuchte das Bundesgericht zunächst den Begriff "unmittelbar". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeute der Begriff "unmittelbar", ohne räumlichen oder zeitlichen Abstand, ohne vermittelndes Glied. Dementsprechend gehe die Lehre allgemein davon aus, dass sich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden auf die Länge bzw. die "Intensität" der Kausalkette beziehe. Der unmittelbare Schaden sei innerhalb der Kausalkette direkte Folge des schädigenden Ereignisses, während mittelbarer Schaden erst auf das Hinzutreten weiterer Schadensursachen bewirkt werde.
Das Bundesgericht widmete sich in der Folge eingehend der historischen Auslegung. Bereits im gemeinen Recht sei die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem bzw. direktem und indirektem Schaden vorgenommen worden. Das Bundesgericht zitiert POTHIER (1699 bis 1772), welcher den Schaden, den ein Bauer dadurch erleidet, dass er eine kranke Kuh erwirbt und seine weiteren Tiere zufolge der Übertragung der Krankheit eingehen, als direkten Schaden qualifiziert. Auch das von BLUNTSCHLI verfasste privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1855 (PGB) habe auf die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden abgestellt. Das alte Obligationenrecht von 1881 habe die allgemeine vertragliche Schadenersatzpflicht bei leichtem Verschulden auf den Schaden, der bei Eingehung des Vertrages als unmittelbare Folge der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung des Vertrages vorhergesehen werden konnte, beschränkt. Für Schäden in weiterem Umfang sei nur bei schwerem Verschulden und nach richterlichem Ermessen Ersatz zu leisten gewesen (Art. 116 Abs. 3 aOR). Bei vollständiger Entwehrung oder Wandelung sah das aOR bezüglich des dem Käufer durch die Entwehrung bzw. Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schadens eine Kausalhaftung vor (Art. 241 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 253 aOR). Bei Verschulden des Verkäufers war dieser verpflichtet, auch weiteren Schaden zu vergüten (Art. 241 Abs. 2 und Art. 253 aOR). Die Mehrheit der Doktrin zum Obligationenrecht von 1881 habe bezüglich der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden auf die Intensität des Kausalzusammenhangs abgestellt und nahm an, entgangener Gewinn gehöre zum mittelbaren Schaden. Während das Bundesgericht den entgangenen Gewinn zunächst ebenfalls als mittelbaren Schaden qualifiziert habe (BGE 14 S. 654 E.2 S. 656), habe es in späteren Entscheiden jedoch unter Einbezug von Art. 116 aOR angenommen, entgangener Gewinn könne unmittelbarer Schaden sein, wenn voraussehbar sei, dass das Interesse des Käufers sich auf einen durch Weiterverkauf der Ware erstrebten Gewinn erstrecke (BGE 23 II 1092 E. 4 S. 1100 f.; 24 II 62 E. 0 S. 70 f.).
Der Gesetzgeber habe bei der Revision des Obligationenrechts von 1911 wohl darauf verzichtet, die allgemeine vertragliche Haftung in Art. 97 ff. OR auf den unmittelbaren Schaden zu begrenzen, habe aber diese Haftungsbegrenzung bei der kausalen Haftung des Verkäufers bei vollständiger Entwehrung und Wandelung in Art. 195 Abs. Ziff. 4 und Art. 208 Abs. 2 OR beibehalten. Damit habe der Gesetzgeber zum einen zum Ausdruck gebracht, dass er bei der Wandelung an der verschuldensunabhängigen Haftung des Verkäufers für den unmittelbar durch die Lieferung fehlerhafter Ware hervorgerufenen Schaden festhielt und insoweit keine Anpassung an Rechte anderer Staaten gewollt war, welche keine solche Haftung kannten. Zum anderen habe er gezeigt, dass er die verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers weiterhin auf unmittelbar verursachte Schäden begrenzen und in diesem Rahmen die vom alten Recht her bekannten Abgrenzungsschwierigkeiten in Kauf nehmen wollte. Demnach bestätige das historische Auslegungselement, dass bezüglich dieser Unterscheidung gemäss der gemeinrechtlichen Tradition auf die Länge des Kausalzusammenhangs zwischen Schadensursache und Schaden abzustellen sei.
Schliesslich wandte sich das Bundesgericht der systematischen Auslegung zu und stellte zunächst fest, dass der Käufer bei der Wandelung die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben muss und dieser den gezahlten Kaufpreis samt Zinsen zurück zu erstatten hat. Demnach treffe der so genannte Mangelschaden, d.h. die durch den Mangel bewirkte Wertverminderung der gelieferten Sache, bei der Wandelung den Verkäufer und nicht den Käufer. Entgegen der Annahme des Klägers könne sich daher der in Art. 208 Abs. 2 OR genannte unmittelbare Schaden des Käufers nicht auf den Mangelschaden beziehen.
Im Weiteren falle in Betracht, dass die kausale Haftung des Verkäufers für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schaden in Art. 208 Abs. 2 OR nach der im gleichen Absatz geregelten Verpflichtung des Verkäufers zum Ersatz der Prozesskosten und der Verwendungen entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung genannt wird. Aus diesem Zusammenhang könnte geschlossen werden, der Gesetzgeber habe – da bei der Entwehrung die Kaufsache keinen Mangel aufweist – mit dem durch die Lieferung fehlerhafte Ware verursachten Schaden nicht die durch die Mängel verursachten Schäden, sondern nur die mit der Rückgabe der Ware verbundenen Unkosten gemeint. Indessen stelle die nebenordnende Konjunktion "und" klar, dass der Schadenersatz für den durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursachten Schaden zusätzlich zum Ersatz der Prozesskosten und den Verwendungen geschuldet sei.
Verworfen hat das Bundesgericht abschliessend das Argument des Klägers, wonach die kausale Haftung für Mangelfolgeschäden gemäss Art. 208 Abs. 2 OR auch bei der Beschränkung auf die unmittelbare Verursachung im Vergleich zur allgemeinen verschuldensabhängigen Vertragshaftung und zur Schadenersatzpflicht bei anderen Verträgen über Sachleistungen eine systemwidrige, sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmeregelung darstelle. Ob diese rechtspolitische Kritik berechtigt sei, haben gemäss dem Prinzip der Gewaltenteilung die gesetzgebenden und nicht die rechtsanwendenden Behörden zu entscheiden.
Bemerkungen:
Das Urteil des Bundesgerichts vermag nicht zu überzeugen. Mit dem Abstellen auf die Länge der Kausalkette zwischen der Lieferung fehler- bzw. mangelhafter Ware und dem eingetretenen Schaden hat das Bundesgericht die Chance verpasst, bezüglich der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden eine klare Trennlinie zu ziehen. Dies ist insofern bedauerlich, als das Auslegungsergebnis des Bundesgerichts keinesfalls zwingend ist.
Die grammatikalische Auslegung von Art. 208 Abs. 2 OR ist wenig ergiebig, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung des Begriffs "unmittelbar" im Sinne von "ohne vermittelndes Glied" (vgl. DUDEN, das Bedeutungswörterbuch, 3. A., Mannheim 2002, 944) gegen eine Subsumtion von Mangelfolgeschäden unter Art. 208 Abs. 2 OR spricht. Die Kausalkette ist bei Mangelfolgeschäden relativ lang (BSK OR I-HONSELL, N 9 zu Art. 208). Im vorliegenden Fall bedurfte es der "vermittelnden Glieder" der Einstallung in die Zucht des Käufers sowie der Übertragung der Viren.
Die historische Auslegung des Bundesgerichts vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Zunächst fällt auf, dass sich das Bundesgericht nicht mit den Materialien auseinandergesetzt hat, sondern sich auf den Nachweis beschränkte, dass die bereits im gemeinen Recht bekannte Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden bis heute beibehalten wurde. Der Hinweis auf die Mehrheit der Doktrin zum alten Obligationenrecht ist unergiebig, da sich die alte Doktrin mit der heutigen Mehrheit der Lehre deckt. Ebenfalls unergiebig ist der Verweis auf die alte bundesgerichtliche Rechtsprechung, welche den entgangenen Gewinn zunächst als mittelbaren (BGE 14 654 E. 2, 656), in einer späteren Phase aber als unmittelbaren Schaden qualifizierte, wenn voraussehbar war, dass das Interesse des Käufers sich auf einen durch Weiterverkauf der Ware erstreckten Gewinn erstreckte (BGE 23 II 1092 E. 4, 1100; 24 II 62 E. 10, 70 f.). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung in einem Entscheid aus dem Jahre 1953 wieder geändert und dem Sinne nach ausgeführt, die kausale Haftung gemäss Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR sei als Ausnahme von der allgemeinen verschuldensabhängigen vertraglichen Haftung des Schuldners einschränkend auszulegen (BGE 79 II 376 E. 3, 380). Es kam in diesem Entscheid zum Schluss, dass es übertrieben wäre, dem Käufer gestützt auf Art. 195 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 2 OR einen Anspruch auf entgangenen Gewinn einzuräumen (BGE 79 II 376 E. 2, 380 f.).
Das systematische Element verlangt Beachtung des Kontextes und eine widerspruchsfreie Interpretation (BSK ZGB I-HONSELL, N 10 zu Art. 1). Das Gesetz ist als Einheit und aus dem Zusammenhang zu verstehen, wobei nicht nur der Zusammenhang einer Bestimmung mit dem übrigen Gesetz, sondern die ganze Rechtsordnung zu berücksichtigen ist (BGE 78 I 30; 80 II 316).
Gegen eine Subsumtion von Mangelfolgeschäden unter Art. 208 Abs. 2 OR anstatt unter Abs. 3 spricht zunächst der Kontext des Abs. 2, der die Wandelung und ihre Nebenansprüche betrifft, welche wie jene kein Verschulden voraussetzen. Noch bedeutsamer ist aber das Gebot einer widerspruchsfreien Interpretation zu den Vorschriften anderer Verträge: Mangelfolgeschäden werden auch bei den anderen Verträgen über Sachleistungen, nämlich bei Miete und Werkvertrag, nur bei Verschulden ersetzt, vgl. Art. 259e OR für die Miete und Art. 368 Abs. 1 in fine OR für den Werkvertrag. Schliesslich ist die Verwandtschaft zu den Fällen der so genannten positiven Vertragsverletzung nach Art. 97 OR anzuführen, die ebenfalls Verschulden voraussetzt (BSK OR I-HONSELL, N 9 zu Art. 208). Abgesehen von den Gewährleistungsansprüchen im engeren Sinne (den ädilizischen Rechtsbehelfen der Wandelung und Minderung), wird also überall im Vertragsrecht für Leistungsstörungen aller Art Verschulden gefordert (BSK OR I-HONSELL, N 9 zu Art. 208). So gilt für Miete und Werkvertrag, aber auch für den Arbeitsvertrag und den Auftrag sowie für alle übrigen Verträge eine Verschuldenshaftung. Daraus ist ersichtlich, dass eine verschuldensunabhängige Haftung für Mangelfolgeschäden gerade nur beim Kauf systemwidrig wäre. Es leuchtet nicht ein, warum der Verkäufer für Mangelfolgeschäden auch ohne Verschulden haftet, während der Vermieter bei Mangelfolgeschäden nur bei Verschulden einzustehen hat. Es bestehen keine vernünftigen Gründe, eine Person, welche eine fehlerhafte Maschine verkauft, die zu einem Mangelfolgeschaden führt, ohne Verschulden haften zu lassen, während sie, wenn sie die Maschine vermietet hat, nur bei Verschulden einzustehen hat. Es handelt sich um gleiche Sachverhalte, die rechtlich gleich beurteilt werden müssen. Das Erfordernis der Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit verlangen also, dass Mangelfolgeschäden unter Art. 208 Abs. 3 OR subsumiert und nur bei Verschulden ersetzt werden.
Auch die Tatsache, dass mit dem Produktehaftpflichtgesetz eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers und des Importeurs eingeführt wurde, spricht gegen eine generelle Kausalhaftung für Mangelfolgeschäden beim Kauf. Es wäre ungereimt, auch den Verkäufer, welcher die Kaufsache nicht selber hergestellt hat und den auch sonst kein Verschulden trifft, für Mangelfolgeschäden kausal haften zu lassen (BSK OR I-HONSELL, N 9 zu Art. 208). Dass eine solche Haftung unbillig wäre, zeigt das illustrative Beispiel in BGH NJW 1968, 2238, worin Dieselkraftstoff, den ein Kraftstoffhändler seit Jahren von einer grossen Raffinerie bezog, bei einem Transportunternehmen die Motoren der Lastwagen beschädigte, weil eine einzelne Lieferung schädliche Beimengungen enthielt. Der Kraftstoffhändler, der keine Untersuchungspflicht und auch gar keine Untersuchungsmöglichkeit hat, muss für diesen Schaden nicht einstehen.
Nicht berücksichtigt hat das Bundesgericht aus unerfindlichen Gründen das Auslegungselement der "ratio legis".
Überzeugend ist BRUNO VON BÜRENS teleologische Auslegung von Art. 208 Abs. 2 OR. Der Gedanke der Kausalhaftung von Art. 208 Abs. 2 OR sei folgender: Wandelung und Minderung hätten als Gewährleistungstatbestände nicht das Erheben eines Vorwurfes gegen den Verkäufer zur Voraussetzung. Der Verkäufer müsse in Wandelung oder Minderung einwilligen, auch wenn er frei von Kritik sei. Er müsse das, weil er Gewähr geleistet habe und Gewähr wertfreier Verpflichtungstatbestand sei. Die Wirksamkeit der Gewähr würde nun aber eine Lücke haben, wenn der Käufer die Umtriebe, die er im Zusammenhang mit Wandelung oder Minderung gehabt habe, nur über das Erheben eines Vorwurfes gegen den Verkäufer geltend machen dürfte. Die Geschlossenheit der Ordnung verlange, dass auch hier der Verkäufer schlechtweg, d.h. kausal einzustehen habe. Aber wesentlich sei strenge sachliche Begrenzung. Art. 208 Abs. 2 OR bringe das durch das Wörtchen "unmittelbar" zum Ausdruck. Der Käufer soll die Ablade- und Lagerkosten ersetzt erhalten, die Kosten der Feststellung des Mangels, auch die Kosten eines Prozesses gegen den eigenen Abnehmer, gegen den er unterlegen ist, ferner Schreib-, Telefon-, Telegrammgebühren und dergleichen. Aber keineswegs würden unter den Begriff des unmittelbaren Schadens auch etwa folgende Tatbestände einzureihen sein: Gekauftes Automobil ist nicht benützbar, Käufer erleidet Erwerbsausfall, oder es entgeht ihm ein Weiterverkaufsgewinn. Gekauftes Automobil ist defekt, Käufer erleidet einen Unfall. Zwar sei in diesen Hypothesen der Schadenseintritt gerade die Folge des Mangels, die Kausalität bräuchte keine langen Wege zu gehen, und man möchte also durchaus von unmittelbarem Schaden sprechen. Indessen seien es nicht unmittelbare Schädigungen, wie sie von Art. 208 Abs. 2 OR verstanden seien, weil für den Verkäufer eine kausale Haftung für Schäden solcher Art völlig unerträglich wäre und demnach nicht gesetzliche Ordnung sein könne. Wer einen Wagen erwerbe, um ihn am andern Tag weiterzugeben, habe im Fall von Mängeln in Wandelung und Minderung einzuwilligen, selbst wenn er von dem Defekt keine Ahnung hatte, und auch nicht zu haben brauchte. Er habe ferner die Spesen zu bezahlen, aber (sofern frei von Vorwurf) doch niemals beispielsweise dafür aufzukommen, dass der Käufer nicht auf die Reise gehen konnte oder dass er den Wagen nicht mit Gewinn weiterverkaufen konnte. Kein Kaufmann würde eine so ungemein weit reichende kausale Haftung billigen, weil sie eben allen kaufmännischen Verkehr bald lahm legen müsste (BRUNO VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, Zürich 1972, 41 und 42).
Unberücksichtigt blieb in der Urteilsbegründung im Weiteren das Interpretationshilfsmittel der Rechtsvergleichung.
Ein Blick auf die Rechtsordnung unseres nördlichen Nachbarn zeigt, dass auch das BGB die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden nicht übernommen hat (BENNO MUGDAN, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899, 10). Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach § 439 Nacherfüllung verlangen, nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadenersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen (§ 437 BGB). Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist Schadenersatz nur bei Verschulden des Verkäufers geschuldet.
Auch das österreichische Recht sieht keine verschuldensunabhängige Haftung für Mangelfolgeschäden vor. Aus § 922 ABGB ergibt sich, dass die Gewährleistungsansprüche auf Fälle ummittelbarer Mängel an der Sache selbst beschränkt sind. Der Käufer besitzt nur einen Schadenersatzanspruch, wenn den Verkäufer ein Verschulden trifft (Art. 933a ABGB).
Die Erkenntnisse aus den obgenannten Auslegungselementen sind weitestgehend deckungsgleich. Bei allen Auslegungselementen gelangt man zum Schluss, dass Mangelfolgeschäden nicht als "unmittelbare" Schäden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR qualifiziert werden können, sondern unter Art. 208 Abs. 3 OR zu subsumieren sind.
Diese Lösung hat überdies den entscheidenden Vorteil, dass sie ein klares Abgrenzungskriterium zur Verfügung stellt. Dies schafft Rechtssicherheit, was der vom Bundesgericht vertretenen Lösung nicht gelingt. Dass die Länge der Kausalkette keine klare Abgrenzung erlaubt und zu Rechtsunsicherheiten führt, hat neben dem deutschen Gesetzgeber zu einem früheren Zeitpunkt selbst das Bundesgericht erkannt, welches im Entscheid aus dem Jahre 1953 zum Schluss kam, dass dieses Abgrenzungskriterium "der Bestimmtheit ermangelt und Anlass zu äusserst subtilen Unterscheidungen gibt" (BGE 79 II 380 = Pra 43 Nr. 13).