Änderungen des zivilrechtlichen Verjährungsrechts

I. Einleitung

Ist eine Forderung verjährt, kann sie nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden. Verjährungsfristen bestimmen folglich, wann eine Forderung infolge Zeitablaufs ihre Durchsetzungskraft verliert, aber - anders als bei Verwirkungsfristen - trotzdem nicht untergeht. Die Referendumsfrist für die voraussichtlich 2020 in Kraft tretende Revision des zivilrechtlichen Verjährungsrechts ist am 4. Oktober 2018 ungenutzt abgelaufen. Dieser Artikel zeigt eine Auswahl der wichtigsten Änderungen mit Bezug auf die Dauer der Verjährungsfristen, den in der Praxis äusserst relevanten Verjährungseinredeverzicht, die Hinderung, den Stillstand und die Unterbrechung der Verjährung.

II. Längere Verjährungsfristen im ausservertraglichen Haftpflichtrecht (Deliktsrecht) und im Bereicherungsrecht

Im Delikts- und Bereicherungsrecht werden zwei Typen von Verjährungsfristen unterschieden: die relative und die absolute Verjährungsfrist. Die relative Verjährungsfrist ist subjektiv bestimmt und beginnt erst zu laufen, wenn der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers erlangt hat. Die absolute Verjährungsfrist beginnt mit Vollendung des schädigenden Verhaltens. Ist die absolute Verjährungsfrist abgelaufen, kann die Forderung nicht mehr durchgesetzt und die relative Verjährungsfrist unbeachtet bleiben.

Neu beträgt die relative Verjährungsfrist für Ansprüche aus Delikts- und Bereicherungsrecht drei Jahre (ein Jahr gemäss geltendem Recht). Die absolute Verjährungsfrist beträgt auch nach neuem Recht grundsätzlich zehn Jahre - mit einer neuen Ausnahme: Bei Personenschäden (Tod oder Körperverletzung eines Menschen) dauert die absolute Verjährungsfrist neu nicht mehr zehn, sondern zwanzig Jahre.

III. Längere Verjährungsfristen im Vertragsrecht

Im Vertragsrecht beginnt die Verjährungsfrist mit Fälligkeit der Forderung, und damit unabhängig davon, ob und wann der Geschädigte Kenntnis von seiner Forderung erlangt hat. Das Vertragsrecht kennt im Gegensatz zum Delikts- und Bereicherungsrecht (bisher) keine relative Verjährungsfrist.

Die allgemeinen Verjährungsfristen im Vertragsrecht bleiben grundsätzlich unverändert bei zehn (in Spezialfällen wie z.B. für Miet-, Pacht- und Kapitalzinsen sowie für andere periodische Leistungen bei fünf) Jahren.

Neu wird als Ausnahme vom Grundsatz für die vertragliche Haftung bei Personenschäden die aus dem Delikts- und Bereicherungsrecht bekannte (dem Vertragsrecht bisher gänzlich unbekannte) Kombination von relativen und absoluten Verjährungsfristen eingeführt. Forderungen im Falle von vertragswidriger Körperverletzung oder Tötung eines Menschen verjähren neu – wie im Deliktsrecht ebenfalls – innerhalb einer dreijährigen relativen und einer zwanzigjährigen absoluten Verjährungsfrist. Diese im Vertragsrecht neu eingeführte Kombination von relativen und absoluten Verjährungsfristen hat das Potenzial, die Position körperlich Geschädigter gleichzeitig zu verbessern und zu verschlechtern. Während die Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist von zehn auf zwanzig Jahren eine Verbesserung bringt, müssen körperlich Geschädigte neu zusätzlich die relative Verjährungsfrist von drei Jahren seit Kenntnis beachten.

IV. Zusätzliche Hinderungs- oder Stillstandsgründe der Verjährung

Die Verjährung beginnt neu zusätzlich nicht und steht still, falls sie begonnen hat: (i) solange eine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Gericht geltend gemacht werden kann; (ii) für Forderungen des Erblassers oder gegen diesen, während der Dauer des öffentlichen Inventars; und (iii) während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderer Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren. Für den letztgenannten Fall ist den Parteien zu empfehlen, die Einzelheiten der Hinderung bzw. des Stillstands der Verjährung (Beginn, Dauer, etc.) in der Vereinbarung detailliert zu regeln.

V. Ergänzende Bestimmung zur Verjährungsunterbrechung

Die Gründe für die Verjährungsunterbrechung werden durch die Revision nicht verändert. Die Verjährung wird nach wie vor unterbrochen (i) durch Anerkennung der Forderung von Seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung oder (ii) durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.

Neu werden die Wirkungen der Unterbrechung unter Mitverpflichteten ergänzt, u.a. wirkt die Unterbrechung neu gegenüber dem Versicherer auch gegenüber dem Schuldner und umgekehrt, sofern ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer besteht.

VI. Verjährungseinredeverzicht

Der Schuldner kann neu ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Dieser Verjährungseinredeverzicht muss in schriftlicher Form erfolgen.

In allgemeinen Geschäftsbedingungen (sog. AGB) kann lediglich der Verwender der AGB auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Nachdem neu ein Verjährungseinredeverzicht erst nach Beginn der Verjährung zulässig ist, die AGB jedoch in aller Regel schon zu einem früheren Zeitpunkt Bestandteil des Vertrags werden, dürfte künftig ein gültiger Verjährungseinredeverzicht durch den AGB-Verwender äusserst selten sein.

Schliesslich kann der Verjährungseinredeverzicht durch den Schuldner dem Versicherer entgegengehalten werden und umgekehrt, sofern ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer besteht.

VII. Ab wann gilt das neue Verjährungsrecht

Das neue Verjährungsrecht wird voraussichtlich im Januar 2020 in Kraft treten, wobei der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens noch offen ist.

Welche Verjährungsfristen gelten in der Übergangszeit vom alten zum neuen Verjährungsrecht? Bestimmt das neue Recht eine längere Frist (z.B. eine dreijährige relative Verjährungsfrist) als das bisherige Recht (z.B. eine einjährige relative Verjährungsfrist), so gilt das neue Recht, sofern die Verjährung nach bisherigem Recht noch nicht eingetreten ist. Bestimmt das neue Recht eine kürzere Frist, so gilt das bisherige Recht. Das Inkrafttreten des neuen Rechts lässt den Beginn einer laufenden Verjährung unberührt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die laufende Verjährungsfrist wird somit auf die Dauer der neuen, längeren Verjährungsfrist verlängert.

Mit Bezug auf die Unterbrechung, die Hinderung und den Stillstand der Verjährung sowie bezüglich des Verjährungseinredeverzichts gilt das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens. Vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgegebene Verjährungseinredeverzichte bleiben wirksam.

Clemens Kühne

Clemens Kühne

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt