Die Swissness-Regeln 2017

I. Einleitung

Schweizer Waren und Dienstleistungen geniessen weltweit einen hervorragenden Ruf. Aufgrund der „Swiss Quality“ sind Konsumentinnen und Konsumenten oft bereit, einen höheren Preis zu bezahlen als für vergleichbare Produkte, die nicht aus der Schweiz stammen. Gemäss Studien der ETH Zürich sowie der Universität St. Gallen werden für Schweizer Produkte teilweise bis zu 20% (bei Schweizer Luxusgütern sogar bis zu 50%) höhere Preise bezahlt.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass eine wachsende Zahl von Unternehmen die „Swissness“ nutzt, um mit dem Image der Schweiz (z.B. „swiss“, „suisse“, Matterhorn-Bilder, Schweizerkreuz) oder mit der Schweizer Qualität (z.B. „Swiss Quality“, „Made in Switzerland“) für ihre Produkte zu werben. Um den Wert und die Glaubwürdigkeit der „Marke Schweiz“ zu schützen, zielen die ab 1. Januar 2017 in Kraft tretenden Swissness-Regeln darauf ab, die missbräuchliche oder zweifelhafte Verwendung von Schweizer Qualitätsangaben zu verhindern. Erreicht werden soll dies durch Bestimmungen im Marken- sowie im Wappenschutzgesetz, die festlegen, „wie viel Schweiz“ ein Produkt enthalten muss, damit „Schweiz“ auf diesem Produkt stehen darf.

Die 1. Januar 2017 gültigen Swissness-Regeln sehen weder eine Bewilligungspflicht für die Verwendung der „Swissness“ noch eine amtliche Überprüfung der Einhaltung der Swissness-Regeln vor. Wer seine Produkte mit „Swissness“ bewirbt, muss jedoch im Klagefall beweisen können, dass die gesetzlichen Swissness-Regeln eingehalten sind.

II. Herkunftsangabe oder dekorativer Gebrauch

Grundsätzlich gilt zu beachten, dass nur dann, wenn eine wörtliche Bezeichnung oder ein Bildzeichen von den massgebenden Verkehrskreisen als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft des Produkts verstanden wird (sog. Herkunftsangabe), die Swissness-Regeln zu beachten sind. Wird z.B. das Schweizerkreuz bzw. eine Schweizerfahne auf einem Produkt von den massgebenden Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die geografische Herkunft des Produktes wahrgenommen (wie zum Beispiel ein rotes T-Shirt, ein roter Ballon oder ein roter Regenschirm mit einem grossen weissen Kreuz als Motiv oder mit Städtenamen und Kantons- oder Schweizerfahnen verzierte Teelöffel, die als Souvenir angeboten werden), gilt dies in der Regel als sogenannt dekorativer Gebrauch. Beim rein dekorativen Gebrauch müssen die ab 1. Januar 2017 geltenden Swissness-Kriterien nicht erfüllt werden.

III. Herkunftsangaben für Naturprodukte, Lebensmittel und Industrieprodukte

A. Naturprodukte und Lebensmittel
Bei Naturprodukten und Lebensmitteln gelten für Schweizer Herkunftsangaben als Ort der Herkunft oder der Verarbeitung das schweizerische Staatsgebiet und die Zollanschlussgebiete.

Die Herkunft eines Naturprodukts entspricht:

  1. für mineralische Erzeugnisse: dem Ort der Gewinnung
  2. für pflanzliche Erzeugnisse: dem Ort der Ernte;
  3. für Fleisch: dem Ort, an dem die Tiere den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht haben;
  4. für andere aus Tieren gewonnene Erzeugnisse: dem Ort der Haltung der Tiere;
  5. für Jagdbeute und Fischfänge: dem Ort der Jagd oder des Fischfangs;
  6. für Zuchtfische: dem Ort der Aufzucht.

Als Lebensmittel gelten u.a. Nahrungsmittel und Genussmittel. Nahrungsmittel sind Erzeugnisse, die dem Aufbau oder dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen und nicht als Heilmittel angepriesen werden. Genussmittel sind alkoholische Getränke sowie Tabak und andere Raucherwaren. Die obgenannten Naturprodukte gelten nicht als Lebensmittel.

B. Industrieprodukte

Die Herkunft eines Industrieproduktes entspricht dem Ort, an dem mindestens 60% der Herstellungskosten anfallen. Die Herstellungskosten berücksichtigen die Kosten für Fabrikation, Zusammensetzung, Forschung, Entwicklung sowie für gesetzlich vorgeschriebene oder branchenweit einheitlich geregelte Qualitätssicherung und Zertifizierung.

Die Herkunft eines Lebensmittels entspricht grundsätzlich dem Ort, von dem mindestens 80% des Gewichts der Rohstoffe, aus denen sich das Lebensmittel zusammensetzt, kommen. Bei Milch und Milchprodukten sind 100% des Gewichts des Rohstoffes Milch erforderlich.

Von der Berechnung der Herstellungskosten ausgeschlossen sind die:

  1. Kosten für Naturprodukte, die wegen natürlichen Gegebenheiten nicht am Herkunftsort produziert werden können;
  2. Kosten für bestimmte Rohstoffe;
  3. Verpackungskosten;
  4. Transportkosten;
  5. Kosten für den Vertrieb der Ware (z.B. Marketing- und Kundenservicekosten). 

Die Herkunftsangabe muss ausserdem dem Ort entsprechen, an dem die Tätigkeit vorgenommen worden ist, die dem Produkt seine wesentlichen Eigenschaften verliehen hat. In jedem Fall muss ein wesentlicher Fabrikationsschritt an diesem Ort stattgefunden haben.

IV. Herkunftsangabe bei Dienstleistungen

Die Herkunftsangabe einer Dienstleistung ist grundsätzlich zutreffend, wenn sie dem Geschäftssitz derjenigen Person entspricht, welche die Dienstleistung erbringt und sich ein Ort der tatsächlichen Verwaltung dieser Person im gleichen Land befindet.

V. Schweizerkreuz, Schweizerfahne und Schweizerwappen

Das Gesetz unterscheidet ab dem 1. Januar 2017 zwischen dem Schweizerkreuz, der Schweizerfahne und dem Schweizerwappen. Das Schweizerkreuz ist neu gesetzlich definiert als ein im roten Feld aufrechtes, freistehendes weisses Kreuz, dessen unter sich gleiche Arme je einen Sechstel länger als breit sind.

Die Schweizerfahne ist neu gesetzlich definiert als ein Schweizerkreuz in einem quadratischen Feld.
Das Schweizerwappen ist neu gesetzlich definiert als ein Schweizerkreuz in einem Dreieckschild.
Das Schweizerwappen, also das Schweizerkreuz in einem (wappenähnlichen) Dreieckschild, darf nur noch von der Eidgenossenschaft gebraucht werden, da es als Ausdruck der staatlichen Macht und Würde verstanden wird.

VI. Übergangsbestimmungen

Für Lebensmittel, die vor dem 1. Januar 2017 hergestellt wurden, dürfen Herkunftsangaben, die dem bisherigen Recht entsprechen, noch bis zum 31. Dezember 2018 verwendet werden.
Industrieprodukte, die vor dem 1. Januar 2017 hergestellt werden und den Kriterien nach bisherigem Recht entsprechen, dürfen maximal bis zum 31. Dezember 2018 in Verkehr gebracht werden.

Clemens Kühne

Clemens Kühne

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt